Tyyne Claudia Pollmann

Cyborgs: Duchamp meets Haraway

1994

„Die Junggesellen, von ihrer Braut nackt entblößt, sogar.“
„Ahne 1“,“ Ahne 2“, „Ahne 3“

Duchamp
Die Cyborgs beziehen sich auf Marcel Duchamps Großes Glas: „Die Braut, von ihren Junggesellen nackt entblößt, sogar.“
Zunächst habe ich 3-d-Computersimulationen der Junggesellen im unteren Teil des Glases generiert und ihre Uniformen entfernt, sodass das rosa Gas, mit dem sie nach Duchamp gefüllt sind, sichtbar wird. Den Titel habe ich entsprechend umgekehrt: „Die Junggesellen, von ihrer Braut nackt entblößt, sogar.“
Obwohl Junggesellen, zumindest zu Duchamps Zeiten, üblicherweise keine Nachkommen haben, nennt Duchamp sie in seinen Notizen „Junggesellen wie Ahnen“.
Teile der simulierten „männischen Gussformen“ bilden für die Konstruktion der Cyborg-Serie „Ahne 1“,“ Ahne 2“, „Ahne 3“ die kybernetische Komponente, während die „weibliche“ Material- Komponente aus organischem Zellmaterial besteht: mikrobiologische Aufnahmen von menschlichen fusionieren mit makroskopischen Aufnahmen einer Kiwi.
Ahne 1 ,2 und 3 Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven desselben Cyborgs zu sein - jedoch wechseln die Materialkomponenten ihre Orte, was die Identität ded/der Cyborgs zusätzlich hinterfragt. Weder eine Taxonomie von Ahne 1,2, 3 noch die Anzahl die Identitäten ist eindeutig ausmachbar.
Der Titel Ahne kann als Imperativ des Verbes „ahnen“ verstanden werden und auf die Zukunft verweisen: eine Ahnung richtet sich nach vorn, in unbekannte Zeiträume.
Das Wort „Ahne“ kann auch als Substantiv gelesen werden, im Sinne einer Person einer Vorfahrin/eines Vorfahren. Damit wendet sich die Blickrichtung aus der Gegenwart in die Vergangenheit: ein Ahne entsteht erst, wenn er/sie Nachkommen erzeugt hat, die ihn rückwirkend als Ahnen definieren. Der Cyborg behauptet seine Existenz in trotz seiner extrem heterotopen wie auch heterochronen Ambivalenz aus unterschiedlichsten Perspektiven.

Haraway
Donna Haraways Manifest: Manifesto for Cyborgs: Science, Technology,
and Socialist Feminism in the 1980's" (Socialist Review 80. 1985. S. 65-108) war für mich eine fundamentale Entdeckung. Das Konstrukt des Cyborgs kann sowlohl als eine feministische Fiktion wie auch als Entschleierung gesellschaftlicher Beziehungsgefüge gelesen werden und hat mir die Möglichkeit gegeben, meine wissenschaftlichen wie künstlerischen Interessen zu fusionieren und gesellschaftliche Dichotomien zu Identität und Normierungen zu hinterfragen und zu verabschieden.

"Das Schreiben der Cyborgs handelt vom Willen zum Überleben, nicht auf der
Grundlage ursprünglicher Unschuld, sondern durch das Ergreifen eben jener Werkzeuge, die die Welt markieren, die sie als Andere markiert hat." (Haraway)

Haraway, Donna: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt a. M. und New York 1995. S. 33- 72. S.11

Ahne 3

Ahne 1

Die Junggesellen, von ihrer Braut nackt entblößt, sogar