Weißbuch Atelierförderung
Dokumentation Weißbuch I+II Atelierförderung
Weißbuch II atelierförderung 2021
Der Verdrängungsdruck für die 10.000* Künstler*innen [*Red.Anm.: Stand 2023] in Berlin steigt zunehmend, innerstädtische Ateliers und Arbeitsräume werden teurer und die Covid-19-Pandemie hat die wirtschaftliche Situation für bildende Künstler*innen nur noch verschärft. Trotz dieser Entwicklung konnten durch das Land Berlin seit 2017 nur 282 neue bezahlbare und geförderte Ateliers angeboten werden – während jährlich etwa 350 verloren gehen.
Am 16.09.2021 – zehn Tage vor den Wahlen – stellt der Atelierbeauftragte das Weißbuch II Atelierförderung vor, zieht Bilanz der vergangenen Legislaturperiode und zeigt Rahmenbedingungen und Instrumente auf, die für eine gemeinwohlorientierte Atelierförderung notwendig sind.
Das Weißbuch II ist Ergebnis eines monatelangen Arbeitsprozesses mit verschiedenen stadt- und kulturpolitischen Akteur*innen. Im Rahmen zweier Workshops wurden aktuelle Problemlagen diskutiert und Lösungsansätze für die Weiterentwicklung der Atelier- und Arbeitsraumförderung in der kommenden Legislaturperiode erarbeitet. Teilnehmende an den Workshops waren neben dem Atelierbeauftragten und dem Atelierbüro die Kulturraum GmbH, PROSA, Vertreter*innen aus dem Abgeordnetenhaus und dem Bundestag, Senatsverwaltungen, Mitglieder aus Genossenschaften, Planer*innen und Künstler*innen und Ihre Initiativen.
Im Rahmen der Veröffentlichung des Weißbuch II Atelierförderung wird der Atelierbeauftragte auch die Positionen der demokratischen Parteien zu den Wahlprüfsteinen des Atelierbüros mit einer Kurzauswertung vorstellen.
Weißbuch I atelierförderung 2019
Was ist das? Warum jetzt?
Das Weißbuch ist ein kooperativ entwickelter Vorschlagskatalog. Er wird Politik und Verwaltung zur Verfügung gestellt, um im derzeitigen Prozess um die Entwicklung der Atelier- und Arbeitsraumförderung konkrete und konstruktive Vorschläge zu machen, wie man langfristig gesicherten und bezahlbaren Raum für professionelle künstlerische Produktion in Berlin erhält und generiert. Übergreifendes Ziel ist: Berlins weltweite Bedeutung als Kunstproduktionsstandort langfristig zu sichern.
Derzeit werden durch die Senatskulturverwaltung, aber auch durch die Stadtentwicklungsverwaltung, Weichen gestellt, wie und in welchen Konstellationen Ateliers und Arbeitsräume in der Stadt entwickelt werden sollen. Daher bedarf es JETZT kluger und weitreichender Entscheidungen: in Kooperation mit der Zivilgesellschaft und ihrer Organisationen.
Das Weißbuch steht für
- eine konstruktive und kooperative Weiterentwicklung bestehender Förderinstrumente,
- die Sicherung bestehender Standorte und
- Hilfe zur Selbsthilfe.
Das sind die Leitideen, mit denen auch in Zukunft bezahlbare, gesicherte und authentische Orte für Kunstproduktion in der Stadt erhalten und entwickelt werden können.
Dafür machen wir konkrete Vorschläge. Es geht zum Beispiel um die Um- und Neugestaltung der Förderstrukturen im Anmietprogramm, damit in ihm vermehrt bestehende Standorte erhalten bleiben können. Es geht darum, die Fähigkeiten der Künstler*innen als Raumpioniere zu unterstützen. Es geht um flexible Baukostenzuschüsse zum Beispiel für Künstler*innen-Gemeinschaften und Genossenschaften.
Konkret geht es auch um ein Ateliersofortprogramm, mit dem in den nächsten beiden Jahren 700 Ateliers im Anmietprogramm neu und zusätzlich angeboten werden können.
Und es geht um neue Ansätze in der Stadtentwicklungspolitik, die mit der Kulturpolitik unter dem Stichwort „cultural planning“ verschränkt werden muss. Es geht um die Wiederaufnahme der Förderung von Atelierwohnungen im geförderten Wohnungsneubau.
- Darüber hinaus unterstreichen wir die Wichtigkeit klarer Zielbestimmungen, die immer wieder anpassbar sein müssen, aber dennoch Transparenz und Zielgenauigkeit der allokierten Budgets gewährleisten. Der Sammelbegriff „Arbeitsraumprogramm“, den die Kulturverwaltung gern benutzt, muss durch zielgruppenorientierte, sparten- und standortspezifische Teilprogramme unterlegt werden.
- Es bedarf einer diversen Akteurslandschaft. Zu ihnen gehören die Künstler*innen und ihre Organisationen selbst, Freie Träger, landeseigene Gesellschaften, Genossenschaften, überhaupt die gemeinwohlorientierte Immobilienwirtschaft, seriöse private Eigentümer*innen von Immobilien und Bauträgern sowie die Bauverwaltungen Berlins. Es geht nur zusammen, eine Verwaltung allein kann die Heraus-forderungen der Raumproduktion für künstlerisches Arbeiten nicht bewältigen.
- Es bedarf erprobter und erweiterter Schnittstellen zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft. Das Atelierbüro und der Atelierbeauftragte sind solche Schnittstellen für die Bildende Kunst, die erweitert werden müssen, um den Herausforderungen in der wachsenden Stadt zu begegnen.
Dr. Martin Schwegmann