Achim Zeman

Seestück

2005


SEESTÜCK
Galerie Bernd A. Lausberg, Düsseldorf 2005

Die Installation ‘Seestück’, die der Künstler in der Galerie Lausberg realisiert hat, verwandelt den Ausstellungsraum in ein malerisches Kontinuum, das den Betrachter in ein visuelles Ereignis hineinzieht. Die Wände der Galerie, selbst die Schaufenster zum Außenraum hin, sind bedeckt von blauen Strichsetzungen, die der Künstler mittels verschiedener Klebebänder gleichmäßig und parallel in Diagonalen an die Wände gebracht hat. Zeman verwendet dabei unterschiedliche Bandarten, die sich durch Breite, durch Farbton und durch ihre Oberflächencharakteristik – je nachdem, ob sie matt oder glänzend sind – voneinander unterscheiden. Dabei ist jedem Strich wie in einem Codesystem eine bestimmte Breite und Farbigkeit zugewiesen. Mit diesen Klebebandstücken arbeitet Zeman dann wie mit dem Strich eines virtuellen Pinsels und variiert auf den Wänden nach seinem künstlerischen Schema ein Auf und Ab, das jeweils in den Raumecken umbricht und so seine Richtung ändert. Die Abfolge der Farben und Bandbreiten ist im Kontext der präzisen Raumaufteilung jedoch ganz frei und folgt der inneren visuellen Logik, die sich für Zeman zwingend aus dem Fortlauf des Arbeitsprozesses ergibt.

Diese Strichgruppen steigen an bis zu den jeweiligen Ecken des Raumes, um von dort auf der anderen Wandseite wieder im gleichen Winkel hinabzuführen, so dass eine Rundumbewegung von Auf und Ab der Strichlinien das Ausstellungsvolumen in eine scheinbare Bewegung versetzt. Die Assoziation an Schiffs- und Wellengang, die allein schon der Titel der Installation suggeriert, wird deutlich, erlebt man die Präsentation als Betrachter im Inneren des Raumes. Die Ortlosigkeit, die einen anspringt und die mit dem Unvermögen zusammenhängt, einen Horizontpunkt in diesem Auf und Ab zu fixieren, lässt den ganzen Raum gleichsam schwanken. Dabei erlebt der Betrachter die unterschiedlichen Blaus der Striche auch als ein Element räumlicher Dimension, die sich in einem Davor und Dahinter abspielt und die sehr stark an konkrete Landschaftserfahrungen anknüpft.

Die auf den ersten Blick scheinbar nüchterne Gestaltung der malerischen Elemente – wird hier ja doch mit Klebestrichen und nicht mit Pinselstrichen gearbeitet – erweist sich in der Betrachtung als besonders erlebnisreich und gleichsam illusionistisch. Die Qualität der visuellen Eindrücke ist intensiv und lässt eine abschließende Betrachtung nicht zu, sondern wandelt den Kunstrezipienten zu einem, der gleichsam ‘im Bild’ steht und dabei erlebt, dass sich das Gesamtbild in einer umfassenden Erfahrung immer wieder neu konstituiert. Die Malerei wird hier zum Volumen und zum plastischen Erlebnis, wobei die Illusion, die sich in den Arbeiten manifestiert, fast schon barocken Charakter suggeriert. Man mag an Deckengemälde denken, in denen der Maler den Himmel aufreißt und die Wand öffnet, erlebt man, wie Achim Zeman ein Höchstmaß an malerischer Qualität erreicht, ohne jedoch unter den Bedingungen von Malerei gearbeitet zu haben. Die optische Präsenz dieser Installation ist im Gegenteil zu ihren minimalistischen Mitteln im höchsten Maße virulent und steigert sich, je länger der Betrachter innerhalb der Installation verweilt. Bis hin zu einem Grad der Unerträglichkeit kann sich jenes Sinne verwirrende Erlebnis steigern, bei dem der Wunsch nach Fixierung durch ein Höchstmaß an Bewegungsintensität ständig in Frage gestellt wird. Die malerische Qualität erlebt der Betrachter vor allen Dingen in den unterschiedlichen Qualitäten der Blau-Abstufung, die sich mal als schwebende Elemente, mal als Schnitte in die Wand hinein darstellen und sich so fast wie in einer dreidimensionalen Projektion von der Wand hinein in den Raum und weiter bis außerhalb des Raumes fortsetzen.

Gabriele Uelsberg