01.06.2021 | WAHLPRÜFSTEINE des Atelierbeauftragten und des Atelierbüros

logo_kulturwerk_bbk berlin

Über den Atelierbeauftragten und das Atelierbüro

Das Atelierbüro im Kulturwerk des bbk berlin ist die zentrale Anlaufstelle für alle in Berlin lebenden bildenden Künstler*innen auf der Suche nach einem Atelier – unabhängig von einer Verbandszugehörigkeit. Das Atelierbüro und der Atelierbeauftragte beraten bei der Ateliersuche und unterstützen bei der Erhaltung bestehender Ateliers.
Das Atelierbüro und der Atelierbeauftragte setzen sich dafür ein, Orte für die Produktion Bildender Kunst auch gegen verdrängende Aufwertungsprozesse nachhaltig in Berlin zu verankern und für Künstler*innen bezahlbar zu halten.

Wahlprüfsteine zur Abgeordnetenhauswahl 2021:

  1. Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen
  2. Anpassung und Ausbau bestehender Förderinstrumente
  3. Ausbau von Atelierwohnungen
  4. Mitspracherecht von Künstler*innen und der Zivilgesellschaft
  5. Hilfe zur Selbsthilfe

Zu 1. Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen

Die angespannte Lage im Berliner Immobilienmarkt hat sich in den vergangenen Jahren auch auf die Situation bildender Künstler*innen ausgewirkt. Die Gewerbemieten in Berlin liegen aktuell zwischen 15€ und 46€/m2 mtl., durchschnittlich bei 18€/m2. Gerade Atelierstandorte sind durch steigende Gewerbemieten so bedroht wie nie. Ein Arbeitsplatz am freien Markt kann bei 900€ monatlicher Kosten für eine*n bildende*n Künstler*in liegen. Das ist für fast alle unbezahlbar, weil für ihre große Mehrheit ihre monatlichen Gesamteinnahmen vollständig aufgebraucht würden. Um Künstler*innen mietrechtlich zu unterstützen, bedarf es einer radikalen Reform des Gewerbemietrechts. Dazu braucht es auf Landesebene einen rechtlich bindenden Gewerbemietspiegel, der umfangreich Daten zu Gewerbemietverträgen erfasst und darstellt. Der Kündigungsschutz für Gewerbemietende muss an den für Wohnmieter*innen angepasst werden. Zusätzlich muss auf bezirklicher Ebene der Milieuschutz auf Gewerbeobjekte und Objekte der Berliner Mischung erweitert werden. Darüberhinaus muss auf Bundesebene eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, Milieuschutzsatzungen auf Gewerbeobjekte und Orte der Berliner Mischung auszudehnen.

Unsere Fragen:

  1. Wie steht Ihre Partei zu den genannten rechtlichen Instrumenten bzw. welche Alternativen schlagen Sie vor?
  2. Welche konkreten Umsetzungsschritte hat Ihre Partei für die kommende Wahlperiode geplant?
  3. In welchem zeitlichen Rahmen sind diese Umsetzungsschritte geplant?

Zu 2. Anpassung und Ausbau bestehender Förderinstrumente

Eine Selbstverpflichtung der öffentlichen Hand soll ausgesprochen werden, insbesondere über die Städtischen Wohnungsbaugesellschaften im Rahmen öffentlicher Baumaßnahmen anteilig (Vorbild: Kunst am Bau) bezahlbare räumliche Infrastruktur für künstlerisches Arbeiten zu schaffen. Für so geschaffene Ateliers für bildende Künstler*innen soll eine Belegungsbindungsvereinbarung mit dem Atelierbüro abgeschlossen werden. Entsprechende Vereinbarungen sollen in die städtebaulichen Verträge mit privaten Investoren aufgenommen werden.

Das Ateliersofortprogramm stellt wichtige Rahmenbedingungen für die Sicherung und Schaffung künstlerischer Arbeitsräume dar. Um die Neuanmietung geeigneter, sofort nutzbarer Flächen zu ermöglichen, bedarf es allerdings einer Erweiterung des Programms. Das Programm sollte zur schnellen Angebotsverbesserung um erneut zwei Millionen Euro aufgestockt und um eine Komponente „Bestandssicherung“ erweitert werden. Das Förderprogramm „Landesbürgschaft Arbeitsraum“ hat sich nach bisherigen Erfahrungen als wirkungslos erwiesen und muss grundlegend überarbeitet werden.

In diesem Zusammenhang braucht es ein Investitionskosten - Zuschussprogramm für zivilgesellschaftliche Akteure mit einem Volumen von zunächst 2 Millionen Euro im Jahr, mit dem gegen verbindliche Belegungsbindungsvereinbarungen Baukostenzuschüsse für die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer Ateliers an Künstler*innengruppen, Genossenschaften und andere private Verfügungsberechtigte ausgereicht werden können. Dies sollte zweckmäßigerweise von der Investitionsbank Berlin bewirtschaftet werden. Diese Mittel könnten im entsprechenden Investionstitel des Kulturhaushaltes ausgewiesen werden.

Unsere Fragen:

  1. Wie steht Ihre Partei zu der skizzierten Selbstverpflichtung der öffentlichen Hand?
  2. Wie steht Ihre Partei zu dem Ausbau des Ateliersofortprogramms?
  3. Unterstützt Ihre Partei die Forderung nach einer Aufstockung des Ateliersofortprogramms?
  4. Unterstützt Ihre Partei die Forderung nach Baukostenzuschüssen für die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer Ateliers? Wenn ja, in welchem Umfang?
  5. Sehen Sie Alternativen zu diesen Anpassungs- und Ausbauvorschlägen und welche sind das?

Zu 3. Atelierwohnungen

Der aktuelle Bestand der belegungsgebundenen Atelierwohnungen in Berlin, ist im Vergleich zu 2018 erneut gesunken [von 233 (2018) auf 180 (2021)]. Für die noch verfügbaren belegungsgebundenen Atelierwohnungen müssen Angebote geschaffen werden, die vertraglichen und damit die Belegungsbindungen zu verlängern.

Um Künstler*innen Wohn- und Arbeitsräume zu gewährleisten, sollten sich die Städtischen Wohnungsbaugesellschaften dazu verpflichten, im Rahmen des geförderten (Sozial-)Wohnungsbaues nach Abstimmung mit dem Atelierbüro belegungsgebundene Atelierwohnungen neu zu errichten und sich dabei an einer Zielmarke von 1% der Neubauwohnungen zu orientieren.

Unsere Fragen:

  1. Wie steht Ihre Partei zur Verpflichtung Landeseigener Wohnungsbaugesellschaften, Atelierwohnungen in das Neubauprogramm aufzunehmen?
  2. Unterstützt Ihre Partei eine feste Quote von öffentlich geförderten Atelierwohnungen im geförderten Wohnungsneubau?
  3. Was wollen Sie tun, um bestehende Atelierwohnungen zu sichern?
  4. Sehen Sie Alternativen zu diesen Vorschlägen und welche sind das?

Zu 4. Mitspracherecht von Künstler*innen und der (organisierten) Zivilgesellschaft

Politik kann nur dann zielgenau und erfolgreich sein, wenn sie von allen jeweils Sachkundigen und Betroffenen, also im Wesentlichen von der Zivilgesellschaft selbst, formuliert und gestaltet wird. Das Atelierbüro befürwortet eine ermächtigende Beteiligungskultur der Künstler*innen und umfassende Transparenz. Dazu gehört im Allgemeinen die Verstetigung und der Aufbau „intermediärer Strukturen“, die zwischen Zivilgesellschaft und Politik und Verwaltung vermitteln und die Bedarfe der Nutzer*innen (hier insbesondere der Künstler*innen) kennen. Zu diesen Strukturen zählen das Atelierbüro selbst, der Runde Tisch Liegenschaftspolitik, das Initiativenforum, die Koalition der Freien Szene Berlin. Hier braucht es den Erhalt und Ausbau von bedarfsgerechten und unabhängigen Strukturen, welche sich für bedrohte Räume für Kunst und Kultur und die Berliner Mischung einsetzen.

Atelierbeauftragter und Atelierbüro müssen in gestaltender Rolle in die Entwicklung und Realisierung von Förderprogrammen einbezogen werden. Das gilt ebenso für vergleichbare Stakeholder aus Kunst und Kultur. Die Datenerhebung und die öffentliche und politische Kommunikation zur Situation geförderter und nicht-geförderter Atelierstandorte muss mit dem Atelierbüro abgestimmt werden (wie das im Übrigen Jahrzehnte lang normale Praxis war). Vergleichbare Kooperationsstrukturen müssen für die anderen Künstler*ischen Sparten und Nutzungsarten gewährleistet sein.

Wir wollen sparten- und nutzungsspezifische Entwicklungsprogramme, über die in Zusammenarbeit mit den jeweiligen zivilgesellschaftlichen Akteuren (wie für das Atelierprogramm mit dem Atelierbeauftragten) regelmäßig berichtet und Rechenschaft gelegt wird. Künftig sollten nicht mehr alle Bedarfe in einem allgemeinen "Arbeitsraumprogramm" unspezifisch zusammengefasst werden. Im Rahmen von Sammeltiteln sind mit den Akteuren aus Kunst und Kultur abgestimmte sparten- und nutzungsspezifische Entwicklungsprogramme möglich und nötig.

Unsere Fragen:

  1. Untstützt Ihre Partei die oben genannte Rollenbeschreibung von Atelierbüro und anderer zivilgeschaftlicher Akteure?
  2. Wie steht Ihre Partei zum Erhalt und Ausbau und der finanziellen Förderung der intermediären Strukturen (bitte einzeln nach genannten Strukturen aufschlüsseln)?
  3. Wie steht Ihre Partei zu der Erarbeitung sparten- und nutzungsspezifischer Entwicklungsprogramme im Rahmen der öffentlichen Förderung der Infrastruktur für künstlerisches Arbeiten.
  4. Sehen Sie Alternativen zu diesen Vorschlägen und welche sind das?

Zu 5. Hilfe zur Selbsthilfe

Um den rasant steigenden Mieten und der Verwertung des Berliner Stadtraums entgegenzuwirken, ist ein Paradigmenwechsel in der Vergabepolitik von landeseigenen Liegenschaften nötig und weiter umzusetzen. Zu einer ermächtigenden Beteiligungskultur gehört auch eine klare Unterstützungsstruktur bestehender und zukünftiger gemeinwohlorienter Nutzer*innen, hier insbesondere von Nutzer*innen und Betreiber*innen von Atelierstandorten auf Grundstücken in der Hand Berlins und seiner Gesellschaften.

Ein wichtiges Instrument ist die ausschließliche Vergabe landeseigener Grundstücke an Genossenschaften und gemeinwohl-orientierte Trägerstrukturen zu leistbaren Konditionen. Das Atelierbüro unterstützt in diesem Zusammenhang die Forderungen der Initiative StadtNeudenken, das Konzeptvergabeverfahren niedrigschwelliger zu gestalten und Kriterien wie 5 den Erbbauzins aus der Bewertungsmatrix auszuschließen bzw. bedarfsgerecht anzupassen. Außerdem muss die Genossenschaftsförderung für Wohnen auf Misch- und Gewerbenutzung ausgeweitet werden, um Gewerbetreibenden und Künstler*innen in ihrer Selbstorganisation Unterstützung zu leisten und eine leistbare Bewirtschaftung der Standorte zu ermöglichen.

Unsere Fragen:

  1. Wie steht Ihre Partei zur ausschließlichen Vergabe landeseigener Grundstücke an gemeinwohl-orientierte Träger?
  2. Wie steht Ihre Partei zur Reform des Konzeptvergabeverfahrens?
  3. Unterstützt Ihre Partei die Erweiterung der Genossenschaftsförderung?
  4. Sehen Sie Alternativen zu diesen Vorschlägen und welche sind das?