Acta (Aufzeichnungen)
Auftraggeber und Gebäude: Justizzentrum Greifswald
Preisgeld: 14.500 Euro
Standort: digitale Entwürfe / Druckvorlagen für neun Einzelflächen von jeweils ca. 10 m² -17 m²
Der Entwurf acta (Aufzeichnungen) setzt sich in zwei inhaltlichen und visuellen Strängen mit der Geschichte des Ortes auseinander. Er verbindet zum einen historisches Archivmaterial aus dem Landesarchiv Schleswig-Holstein zu der thematisch passenden Biografie von Hans Fallada, der in Greifswald geboren wurde und eine Haftstrafe vor Ort verbüßte, und zum anderen grob verpixeltes Bildmaterial von ehemaligen Asservaten aus Online-Auktionen der Justiz – ein Verweis auf die nicht einsehbare Asservatenkammer im Untergeschoss des Gebäudes.
Das Aufgreifen der historischen Ereignisse zu der zwiespältigen und
zeitgleich bemerkenswerten Greifswalder Schriftstellerpersönlichkeit Hans Fallada ist eine direkte künstlerische Spiegelung und Einschreibung auf den heutigen Ort der Rechtsprechung, da sich der Neubau des Justizzentrums auf dem Gelände des ehemaligen, 1992 abgerissenen Gefängnisses befindet, indem Hans Fallada alias Rudolf Ditzen seine 6-monatige Haftstrafe verbracht hat. Fragmente des Wortlautes der wiedergefundenen Akte, die den Fall dokumentiert, sind auf den Leinwänden gut leserlich sichtbar und lassen Zusammenhänge und Fakten erahnen. In Überlagerung dazu verwende ich stark vergrößerte, durch die sichtbare Verpixelung malerisch anmutende Bildschirmfotografien von Gegenständen, die ich in Laufe meiner Recherche auf der online Plattform www.justiz-auktionen.de recherchiert habe. Die Motive sind zum einen eine Uhr und zum anderen eine Kette. Diese sind aber durch die Abstraktion für den Betrachter zumindest aus der Nähe nicht mehr erkennbar. Mehr als um die abgebildeten Motive geht es mir hier um die Praxis des Heranzoomens, im Sinne von näher und genauer untersuchen, und die Fragen nach den Grenzen der Erkenntnis. Durch das Zusammenführen dieser beiden unterschiedlichen Ebenen entsteht ein zeitlicher und inhaltlicher Bogen. Die Bilder erzählen, durch die Verwendung von historischen Materialien und der Sichtbarmachung von aktuellen Beweismaterialien, vergangene und gegenwärtige Geschichten der Stadt Greifswald im Zusammenhang der Justiz. Die einzelnen Leinwände, die wie Puzzlestücke anmuten, sollen für den Betrachter über die Stockwerke hinweg als ganzes Bild erfassbar sein, aber auch aus der Nähe als unergründliche Fragmente betrachtet werden können.
Durch die Aufteilung des Entwurfs in zwei farblich gut unterscheidbare
Serien wird das Gebäude Teil des Entwurfs. Die Akte als Werkzeug, Dokumentationsmittel und Zeitzeugnis ist dabei für meinen künstlerischen Entwurf von großem Interesse. Im Zusammenhang
mit der einzigartigen Geschichte zu Hans Fallada stelle ich mir
unter anderem die Frage: Inwieweit sind kriminelle und künstlerische Grenzüberschreitungen vergleichbar?