Josefine Günschel

Kopfbewegung

2004

Nähert man sich – von der Rudower Chaussee kommend - dem Forum Adlershof, so sieht man auf dem Vorplatz, leicht versetzt zu den Laborgebäuden, zwei gleiche, helle androgyne Köpfe, die in 6 Meter Höhe das Gelände zu überblicken scheinen.
Sie sind in Bewegung. Sehr langsam verändern sie ihren Ausdruck, ihre Position zueinander und auch ihre Ausrichtung auf das Umfeld.
Die Veränderungen der meist in sich geschlossenen Gesichter werden vorwiegend durch kleine subtile Bewegungen hervorgerufen – gelegentlich lösen sich die beiden Köpfe in ihrer Form auf und werden zu plastischen Gebilden, deren Oberflächen nur noch als abstrakte Strukturen wahrgenommen werden können, um sich schließlich erneut in ihre Ausgangsposition zurückzufinden.
Bedingt durch die fast unendlichen Kombinationsmöglichkeiten erhalten die Plastiken immer wieder ein neues Erscheinungsbild.
Die am Computer entwickelten Köpfe geben keinen Hinweis auf Geschlecht und Persönlichkeit. Es sind Stellvertreter.
Die Wettbewerbsarbeit berücksichtigt sowohl die Funktion der Institution, als auch die Charakteristika des Standortes.
Denken, Forschen, Kombinieren, Offenheit und die Fähigkeit, den Blickwinkel zu ändern, sind zeitlose Charakteristika der Universität, und werden in Form der \"Kopfbewegung\" thematisiert.
Kommunikation – spezifisches Merkmal des Standortes (Eingangsbereich, Mensa) findet seine Analogie in den vielfältigen Dialogpositionen der Köpfe.
Voneinander abgewandt und scheinbar meditativ in sich gekehrt, einander zugewandt und aufeinander bezogen, in Bewegung oder auch aufgelöst, verbildlichen die Köpfe Zustände und Prozesse, die sich sowohl auf die Beziehungen der Menschen untereinander, als auch auf die für das Forschen, Entdecken und Lernen notwendigen geistigen Kräfte beziehen lassen.
Das optische Erscheinungsbild eröffnet darüber hinaus vielfältige Assoziationen (an geologische Gesteinsschichten, Computertomographien, Störbilder im Fernsehen, etc.), und regt eine Auseinandersetzung über das Verhältnis Mensch zu Technik, und das Verhältnis vom Allgemeinen zum Individuellen an.

Die zwei Köpfe spielen zwar einerseits auf die Humboldtstandbilder am historischen Standort der Universität Unter den Linden an.
Andererseits wirken sie nicht wie klassische Statuen, da sie weder eine bestimmte Person abbilden, noch statisch sind. Der Entwurf spielt mit den Standbildmerkmalen, hinterfragt und überträgt sie, in leicht ironisierter Form, in die Gegenwart.
Hier stehen sie mit ihrem androgyn-unspezifischen Ausdruck zeitlos als stellvertretendes Menschenbild.

Fertigstellung 2008

In Zusammenarbeit mit Margund Smolka