Edith Kollath

ADDRESSABLE VOLUME

2018

Jeder atmende Körper besteht aus zwei Hälften: »Die sichtbare Hälfte besteht aus Fleisch und ist in Haut gehüllt. Die andere Hälfte, die für uns normalerweise unsichtbar ist, besteht aus Luft. Während des Atmens laufen diese beiden Hälften ineinander und auseinander.«, so der britische Anthropologe Tim Ingold (Ingold 2020, 34).

In »Addressable Volume«, einer Film-Montage, in der Szenen aus einer Glasbläserei mit Studioszenen zusammenmontiert wurden, verleiht Edith Kollath diesen Luftkörpern, für einen Moment Präsenz. Sie konturiert die aus den Körpern der Performer:innen ausströmende Atem/Luft durch gläserne Hohlkörper, die sich ausdehnen und unter dem anschwellenden Druck des Atems schließlich in unzählige Partikel zerplatzen - im Soundtrack des Videos markiert als eine hyperreal donnernde Schwelle. Dabei wird ein je individuelles Gasgemisch freigegeben, eine persönliche Signatur, die sich ausdehnt und mit der Umluft verbindet. Ein Vorgang, der die undichten Grenzen unserer Körper und unsere Verbundenheit portraitiert: Wie weit dehnen sich unsere atmenden Körper aus? Welches Volumen beanspruchen wir? Wo werden wir begrenzt, wie vermischen wir uns mit anderen? Wie berühren sich mein Atemleib und dein Atemleib? An welcher Stelle wird das, was ich ver-äußere zu einem Medium, an dem sich andere nähren?

Der Atemprozess ist ein Vorgang, der uns in ein Verhältnis und eine rhythmische Balance zwischen dem Eigenen und dem Fremden zwingt. Wir nehmen auf, und wir geben ab. Wir konsumieren, assimilieren und wir produzieren, geben ab, antworten. Dieser vorsprachliche, materielle Vorgang verbindet uns mit allen menschlichen und nicht-menschlichen Wirkkräften auf dieser Welt und zeigt unsere Ver-antwortung auf.
Ich nehme deinen Atemleib in mich auf. Du bist in mich inspiriert.
Und ich atme mich in dich aus.

Addressable Volume 2018, video still
five channel video installation, loop 4:45‘

Addressable Volume 2018, video stills
five channel video installation, loop 4:45‘

Ausstellungsansicht Kunstmuseum Bonn, "Welt in der Schwebe", 2022