Paradiesgärtlein
Universität Tübingen
Neubau Laborgebäude
Botanisches Institut BIO 1
Künstlerische Gestaltung des Vorplatzes/Campus
Projekt DAS DEUTSCHE HANDWERK: „Paradiesgärtlein“
Bausumme: DM 130 000,--
Staatliches Vermögens- und Hochbauamt Tübingen, eingeladener Wettbewerb
Realisierung entschieden, während der Arbeiten vom Nutzer verhindert!
Technische Projektbeschreibung
Die vorgesehene Installation befindet sich auf der neu angelegten Grünfläche neben dem Neubau und dem gepflasterten Platz zwischen den bestehenden Gebäuden und dem Neubau. Sie bindet sich formal in das nun neu entstandene Gebäudeensemble nach allen Seiten hin ein.
Die Installation besteht aus einem blau reflektierenden Autobahnschild mit abgebildetem stark vereinfachten Motiv des „Paradiesgärtleins“ (Gemälde, um 1410). Das Schild selbst hat die Maße 2,50m x 4,00m und ist ab einer Höhe von 4,00m an zwei Gitterrohrmasten (feuerverzinkt) befestigt. Die Rückseite ist grau lackiert. Die Masten stehen auf dafür vorgesehenen Fundamenten. Die Gesamthöhe (Masten und Schild) beträgt 6,50m. Das Schild steht auf der neu angelegten Grünfläche westlich des Neubaus und ist der Zufahrt (von der Straße her) zugewandt. Es soll nachts, wie bei Autobahnwegweisern üblich, beleuchtet und damit weit sichtbar sein. Ein Stromkanal zum Schild wird gelegt.
Auf der bestehenden gepflasterten Fläche ist ein kleiner Raum aus vorgefertigten Betonelementen vorgesehen. Dieser hat die Außenmaße 3,50m x 5,00m und zwei Zugänge an den langen Seiten, jeweils 1,00m breit. Die Wandstärke beträgt 25cm, die Höhe beträgt 2,90m. Die Wände stehen auf Fundamenten, der Raum ist nicht überdacht. Als Boden ist die gleiche Pflasterung wie die des umliegenden Platzes gedacht. Die schmalen Seiten sind nach Nord/Süd gestellt. An der dem Neubau und dem Patz zugewandten schmalen Seite befindet sich ab 2,50m Höhe wandmittig ein ca. 90cm breiter Einschnitt nach oben hin. In diesen Einschnitt hineingesetzt ist eine Leiterrutschbahn aus Edelstahl. Die Sitz-/Rutschbreite beträgt 1,00m, die Podesthöhe 2,50m. Die runden Handläufe am Podest („Elefantenohren“) sind 70cm hoch und überragen die Wand oben hier um ca. 30cm. Die Rutschbahn selbst hat eine Länge von ca. 4,50m und zeigt in südl. Richtung. Die Rutsche ist außen am Rutschende im Fundament verankert. Die Leiter der Rutsche ragt ca. 1,30m tief in den Raum hinein und ist dort gleichfalls fundamentiert.
Als notwendiger Fallschutz ist gegossener Kunststoffboden vorgesehen. Dieser ist blau eingefärbt und in Form eines, unter der Rutsche leicht verdrehten, Sechseckes verlegt. Der Unterbau dieses Fallschutzes ist wasserdurchlässig geschottert vorbereitet. Die Grundmaße betragen ca. 6,50m x 5,50m, insgesamt ergeben sich ca. 28qm Fallschutzfläche. Die Bodenanschlüsse an die Wandelemente (innen & außen) sowie die Anschlüsse an den Fallschutz werden nach Aufstellung sorgfältig mit der vorhandenen Pflasterung ausgeführt bzw. wiederhergestellt.
Künstlerische Projektbeschreibung
Der Ort dieses Projektes ist ein universitär-wissenschaftliches Institut – als Anlaß dafür dient der Neubau eines Laborgebäudes der Botanik, in dem Leben untersucht werden wird.
Dies in einer Zeit, in der sich mehr denn je die Naturwissenschaften dem Mikrokosmos des Seins nähern, beginnen, es zu verstehen und zu manipulieren [Religio ?]. Wissen ist Verantwortung, Wissen lernen ist Verantwortung lernen. Was ist aus dem Paradies geworden, welches wir verlassen mußten, an dem wir aber nun beharrlich herumforschen, um es wieder zu betreten? Wissen und Verstehen ist nur möglich durch Unschuld, und die Kinder im Paradies waren wohl unschuldig, bis sie am Baum der Erkenntnis nagten. Das Paradies ist also das Ziel.
Daher plant DAS DEUTSCHE HANDWERK an diesem Ort ein großes, auch nachts weithin sichtbares Autobahnschild [Code] aufzustellen. Eine Autobahn gleich der stringenten Gradlinigkeit der Forschung [Wege des Wissens]. Bedruckt ist dieses Schild mit einer piktogrammesken Adaption des Motivs des „Paradiesgärtlein“ (Oberrheinischer Meister, um 1410, Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt a.M.), sowohl als kunsthistorischem Rückgriff, wie auch einer Erinnerung an das Ziel: Dem Wiedererlangen von Unschuld trotz Wissens. Dieses dargestellte Paradies ist vorerst menschenleer, der sechseckige Tisch lädt jedoch ein, sich wieder dorthin zu begeben, zum Diskurs und anderem. Die Farbe Blau symbolisiert dabei sowohl die jetztzeitige Autobahn wie auch – von alters her – Göttlichkeit, Mystik und Unschuld.
Der karge, durch einfache Betonwände gebildete Raum greift in seiner Grundform formal wie inhaltlich das Wasserbecken [Reinigung] im linken unteren Bildbereich des „Paradiesgärtleins“ von 1410 auf. In diesem kargen „Gegenwartsparadies“ erlebt der Lehrende, Lernende und Forschende die Leere der Vertreibung physisch und kann durch die Reinheit des Gedankens diesen Raum für sich psychisch beleben [Studiolo]. Das Ersteigen der Leiter [Himmelsleiter ?] bildet das letzte Segment der erlebbaren Läuterung – es kann nur noch folgen [Mut] das kindlich-unschuldige Hinabrutschen [one way !] einerseits in das reale Leben [Adam und Eva], oder eben in das lichte Paradies, welches das im Boden eingelassene große blaue Sechseck symbolisiert [Fallschutz]. Dieses Sechseck verweist abermals auf das Motiv des nebenstehenden Schildes und bildet eine farbige Klammer zwischen den beiden Teilen der Installation.
Wir denken, die vorgesehene Installation belebt den neu entstandenen
Platz [Campus] formal wie auch im Kontext, da z.T. sehgewohnte Größenverhältnisse über- bzw. untertrieben werden, ortsfremde Materialien eingesetzt werden und zudem inhaltlich auf die Bestimmung des Ortes Bezug genommen wird. Einen zusätzlichen Reiz bildet die direkte Erlebbarkeit [Rutschen], die hier zur Kommunikation beitragen kann.