12.06.2023 | Pressemitteilung des Atelierbeauftragten für Berlin: Basisdaten Bedarfserhebung Ateliersituation 2023

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Ergebnisse der Umfrage zur Ateliersituation des Atelierbeauftragten für Berlin Mai/Juni 2023

Der Atelierbeauftragte für Berlin hat eine Umfrage zur Erhebung der aktuellen Atelier- und sozio-ökonomischen Situation von bildenden Künstler*innen in Berlin durchgeführt.

Laut KSK sind 14.129 Personen in Berlin im Jahr 2022 im Bereich Bildende Kunst über die KSK versichert, davon arbeiten 8.495 Künstler*innen vorwiegend im klassischen Selbstauftrag wie Malerei, Bildhauerei, Installation etc. Rechnet man diejenigen dazu, die privat-, familien- oder in anderen Herkunftsländern versichert sind, ist die Zahl von 10.000 bildenden Künstler*innen, die kontinuierlich in Berlin leben und arbeiten, seriös. Auf diese Zahl beziehen wir uns in der Umfrageauswertung.

Im Rahmen der Befragung wurden 1.673 Fragebögen ausgefüllt. Geht man von 10.000 bildenden Künstler*innen in Berlin aus, entspricht das 16% der Grundgesamtheit. 57% der Befragten waren weiblich, 35% männlich und 8% haben Ihr Geschlecht als Divers/non-binär angegeben. Das Durchschnittsalter lag bei 43 Jahren.

Ateliersituation/Atelierverluste:

63% der Befragten gaben an, derzeit kein Atelier zu haben oder es gerade verloren zu haben bzw. es zu verlieren. Von dieser Gruppe haben 42% aktuell kein Atelier, 21% verlieren es gerade oder haben bereits ihr Atelier verloren.

63% suchen seit bis zu zwei Jahren ein Atelier. Diejenigen, die ein Atelier haben, sind oftmals in einer prekären und unsicheren Mietvertragssituation. So geben 80% an, einen unbefristeten Mietvertrag zu haben, Vertragssicherheit nach Gewerbemietrecht also in der Regel nur 6 Monate zum Ende eines Quartals und eine Kündigung ist ohne Angabe von Gründen zulässig. Lediglich 1,5% der befristeten Mietverträge haben eine Laufzeit von 5 und mehr Jahren.

56% aller Befragten mussten ihr Atelier oder ihre Atelierwohnung schon einmal aufgeben. Von dieser Gruppe waren allein 6,5% im laufenden Jahr 2023, 9% in 2022, 9,4% in 2021 betroffen.

Im Rahmen der Umfrage wurden 108 Ateliers und Atelierwohnungen in 2023*, 150 in 2022, 157 in 2021, 136 in 2020, seit 2017 insgesamt 874 verlorene Ateliers gemeldet. Da an der Umfrage 16% der in Berlin tätigen bildenden Künstler*innen teilgenommen haben, muss von einer weit höheren Zahl ausgegangen werden. Von ca. 1.500 – 2.000 verlorenen Ateliers kann seriös ausgegangen werden. Dem gegenüber stehen von 2017 bis 30.06.2023 per Saldo nur 310 neu entwickelte geförderte Ateliers und Atelierwohnungen, d.h.: die Substanz der Infrastruktur wird aufgezehrt. Insgesamt gibt es 1214 geförderte Ateliers in Berlin. Um diese Zahlen zu kontextualisieren: Es gibt 10.000 bildende Künstler*innen in der Stadt, von denen 60% kein Atelier haben oder ihr Atelier verlieren.

Als Gründe für die Aufgabe der Ateliers oder Atelierwohnungen gaben von den 35% der Betroffenen nicht mehr finanzierbare Mieterhöhung an. 31% wurden gekündigt, davon 11% wegen Eigenbedarfs.

Sozio-ökonomische Situation der Künstler*innen:

Künstler*innen wohnen zu etwa 80% in innenstädtischen Bezirken, davon z.B. 20% in Neukölln, 17% Kreuzberg, 10% im Prenzlauer Berg, 8% in Mitte und 8% im Friedrichshain.

Einkommen der Künstler*innen:

 73% der Künstler*innen geben an, monatlich maximal 1.500€ zur Verfügung zu haben. 49% bewegen sich in der Spanne bis 1000€. Zum Vergleich: Die KSK gibt für Berlin im Bereich Bildende Kunst ein Jahresdurchschnittseinkommen von ca. 14.000€ an.

Dementsprechend können 67,% der Künstler*innen die ein Atelier suchen, max. 300€ für ein Atelier im Monat aufwenden. 66% von den Künstler*innen, die eine Atelierwohnung suchen, können max. 700€ aufwenden.

Auswirkungen von Atelierverlust:

Auf die Frage, was ein Atelierverlust für Auswirkungen auf die Künstler*innen hätte, wird wie folgt geantwortet:

  • 71% geben an, das sie eingeschränkte Arbeits- und Produktionsmöglichkeiten hätten (z.B.
  • kleine Formate). 51% hätten dann keine Arbeits- und Produktionsmöglichkeiten mehr.
  • 43% gaben an, keine Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten mehr zu haben.
  • 38% müssten aus Berlin wegziehen und 24% gaben an, gänzlich den Beruf aufgeben zu müssen.

In den Kommentaren wurde wiederholt angemerkt, dass der Atelierverlust letztendlich negative, schwere psychische und soziale Auswirkungen hätte. Auch wird immer wieder angemerkt, dass es unmöglich sei ohne Atelier, professionelle künstlerische Kontakte zu Kurator*innen und Galerien aufzubauen.

Atelierbedarf:

87% suchen aktuell ein neues Atelier oder eine Atelierwohnung. Davon haben 63% kein Atelier oder haben es gerade verloren oder sind dabei es zu verlieren. 24% brauchen ein anderes Atelier. Hier ist der Grund häufig die Suche nach einem größeren Raum, da der vorhandene nicht oder nicht mehr der künstlerischen Praxis entspricht oder auch zu teuer geworden ist. Auch ist der barrierefreie Ausbau bei einigen nötig geworden. Viele möchten Wohnen und Arbeiten verbinden, da beides einzeln angemietet fast unbezahlbar wird.

58% suchen ein Atelier oder eine Atelierwohnung innerhalb des S-Bahnrings, 64% nutzen das Fahrrad zum Atelier. 62% sehen eine gute Erreichbarkeit durch ÖPNV für die Lage des Ateliers als entscheidend an. Für etwa 43% ist eine tolerante und soziale Nachbarschaft bei der Standortwahl ebenso entscheidend. 71% brauchen ein Atelier von 20 bis zu 60qm Fläche.

Abschließend grundsätzlich:

Das Atelierbüro hält es unverändert für notwendig, einem Drittel der bildenden Künstler*innen einen geschützten und dauerhaft gesicherten Raum bieten zu können. Das bedeutet wiederum etwa 3.500 dauerhaft gesicherte und bezahlbare Ateliers und Atelierwohnungen bereitzustellen. Es gibt viel zu tun.

Bedarfserhebung Ateliersituation 2023 Teilnehmende
Bedarfserhebung Ateliersituation 2023 Verluste
Basisdaten Bedarfserhebung Ateliersituation 2023 Verluste