KiöR Künstler*innen

Klaus Killisch

www.klaus-killisch.de

Malerei, Lichtinstallation, Fotografie



Index

Text

Prof.Dr. Rieger-Jähner, Direktorin Museum Junge Kunst Frankfurt / O
Katalog "a long strange trip", 2009

Arbeiten von Klaus Killisch lernte ich 1989 in einer Ausstellung der Leipziger Galerie EIGEN ART kennen. Seither ist die Verbindung zu diesem Künstler nicht abgerissen, da seine Bilder, Blätter und Installationen mich immer wieder überraschen und die Neugier an der Auseinandersetzung mit dem Gezeigten wach zu halten verstehen.

Dieses anhaltende Interesse ist schon etwas Besonderes, scheint in der Kunstgeschichte doch nun wirklich alles in kaum noch zu übersehenden Variationsbreite gesagt. Von Killisch jedoch werde ich immer wieder eines Besseren belehrt, denn bei jedem Atelier- oder Ausstellungsbesuch muss ich erkennen, dass er etwas, zumindest für mich, Unverzichtbares und so noch nie Gesehenes dem Bisherigen hinzu zufügen hat. So verbinden sich spannende optische Sensationen bei ihm mit einem vielschichtigen Gestaltungsgehalt, wobei er auch auf mittelbare Verweise der Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts zurückgreift. Vielleicht sind es aber gerade diese eigenwilligen Dialoge unterschiedlicher temporaler Zeitebenen dieser spannenden Vergangenheit, verbunden mit den Strategien und Medien unserer Massengesellschaft in der Gegenwart, die seine Kunst so präsent im hier und heute angesiedelt erscheinen lässt.

Obwohl wir auch bei den Installationen, die Sie in dieser Präsentation sehen, veränderte Sicht- und Gestaltungsweisen des Künstlers kennen lernen können, bleibt Wesentliches von dem erhalten , was wir bereits 1987 konstatieren konnten. Um dies zu erkennen, möchte ich kurz auf zwei Werke aus unserem Besitz eingehen, die letztlich den Entstehungs- und Veränderungsprozess von einst und jetzt verdeutlichen sollen.

So gehörte der Maler bereits vor dem Zusammenbruch der DDR nicht zu denjenigen, die die Tristesse des Seienden zelebrierten, und sei sie auch noch so ästhetisch sensibel und gekonnt in Grau-, Braun- und Beige Variationen als Stilleben, Figur oder Interieur auf die Fläche gebannt. Seine Mentalität und die damit verbundene Sicht auf die Welt war und ist anders geartet. So nahm er z.B. in seinen „Raucherbildern“, von denen wir eine besonders gelungene Fassung von 1987 besitzen, das Klima und den Lebensrhythmus von Berlin in den Jahren nach 1989 vorweg und drückte so zugleich das ihm gemäße Zeitgefühl aus, das dem Leben in einer europäischen Metropole entspricht. Dekorativ einprägsame Emailleschilder der Zigarrenwerbung aus den 20iger Jahren, die für ein Massenpublikum geschaffen wurden und zum Kauf motivieren sollten, bildeten hier die Anregung für das farbintensive Bildnis eines dionysisch coolen Supermannes (1987), bei dem sich eine plakativ strenge Raumgestaltung verbunden mit einer expressiven Farbauffassung, die Balance halten sollten.

8 Jahre später entstand mit dem Bild „Schatten der Leidenschaft“ (1995), das wir 1996 erwarben, eine Arbeit, die der Beschleunigung unseres Lebensrhythmus mit ihren Möglichkeiten und Verwerfungen in eigenwilliger Weise Rechnung zu tragen verstand, was sich mit den Worten von Heinrich Klotz zusammenfassen lässt: “In dieser Stadt ist die Idylle fast unmöglich, auch weil die Menschen in einer Art nervöser Gereiztheit untereinander leben, die sie kaum zur Ruhe kommen lässt.“(1) Diese Aussage wird bei unserer großformatigen Bildcollage, in der Öl, Acryl, Kunstblumen und Neonröhren eine Symbiose miteinander eingehen, in besonderer Weise nachvollziehbar. So weiß der Künstler auch hier wieder mit traumwandlerischer Sicherheit die Balance bei der Doppelkodierung von Elitär und Populär, Alt und Neu zu halten und sie spannungsvoll miteinander zu verbinden. Aber auch Begriffe wie „Mythologisierung, Nostalgie, Punk, Ritualisierung, atmosphärische und detailgenaue Erzählfreude“(2), mit denen sich das vielgestaltige Bild der Postmoderne zusammenfassen lässt, bestimmen seine Arbeit, ebenso wie der Mythos von der Unvereinbarkeit der Geschlechter, der über Jahrhunderte hinweg in der Kunst thematisiert wurde. Doch letztlich fasziniert uns der gestalterische Dissonanzreichtum innerhalb seiner Arbeiten, der schnelle Wechsel von widerstrebenden Empfindungen, wie er durch den Kontrast von Malerei verbunden mit der schattenrisshaften Vereinfachung der Form mit ihrem gebrochenen Pathos, künstlichem Grabschmuck und dem technoid grellen Licht der Leuchtstoffröhren erzeugt wird.
Nach der Vergrößerung der Bildformate , der immer stärkeren Verdichtung des jeweiligen Grundgestus und den immer raumgreifenderen Collagierungen, die sich nicht selten mit grob gerasterten schwarz- weiß Kopien von fotografischen Bildern verbanden, war die Rauminstallation ein folgerichtiger Schritt. Dass es sich bei unserer Präsentation im Packhof um eine ehemalige mittelalterlichen Warenablage handelt, die nicht nur eine Vielzahl kleiner und relativ niedriger Räume mit zahlreichen Durchblicken besitzt, sondern zum Teil auch fachwerkbelassene Wänden hat, stellt auch für Killisch eine Herausforderung dar. Hinzu kommt, dass ich ihn bat, in diese Installation einen Auftrag unseres Museums aus dem Jahr 2007 einzufügen. Es handelt sich um 6 Malereien im Format 83x50cm, die in standardisierten leuchtkastenartigen Stahlrahmen ihren Platz gefunden haben. Die thematische Klammer der 6 Malereien lässt sich unter dem Thema „Pandora“ zusammenfassen. Mit Transparentfarbe und Serigrafie, beidseitig auf Plexiglas aufgetragen, sind die einzelnen Bilder scheinbar zusammenhanglos als Folge zusammenfügbar. Allein durch die Rasterung des Formats sowie durch die Intensität der leuchtend intensiven Farben scheinen sie in unheilvoller Weise aufeinander bezogen zu sein. Bereits der aus der griechischen Mythologie entnommene Titel weist auf das Unheil hin. So wurde die Pandora einerseits als zerstörerische Elementargewalt angesehen und anderseits zur weiblichen Urgewalt stilisiert. Zu beidem lässt sich ein Bezug zu Killischs Malereien herstellen. Darauf weisen sowohl die monströsen Haarberge auf einem nicht näher zu identifizierenden weiblichen Kopf ebenso hin wie schwarze Kreise von unterschiedlicher Größe, die die surreale Note des Bildes nach verstärken. Aber auch die gefährlich glänzenden und durch ihre Farbigkeit wiederum aberwitzig schön wirkenden Schrottteile in ihren deformierten Verkantungen stehen in spannungsvollem Gegensatz zu den ornamental psychedelischen zarten Formen aber auch Kopfumrissen und vervollständigen das brachiale und zugleich hintergründige Bild vom Chaos.

Bereits die ersten Ankäufe von 1987 bis hin zur Installation vom Januar 2009 würden den Titel unserer Präsentation „eine lange seltsame Reise“ rechtfertigen. Klaus Killisch erläutert diesen Titel und damit sein Wollen noch etwas differenzierter. Angeregt durch die Biografie der kalifornischen Rockband Grateful Dead wählte er für unsere Ausstellung in Frankfurt (Oder) den Titel: a long strange trip. So sei die Textzeile dem song ‘truckin‘ (erschienen 1970) entnommen und stehe als Metapher für ein ständiges Bewältigen und Auseinandersetzen mit Umbrüchen im eigenen Leben. Diese Musik liefe zur Zeit in seinem Atelier ständig und laut. Die LP „Anthem oft he sun“ träfe sich dabei wunderbar mit seinen Bildern. „Die Musik ist psychedelisch“, bekennt der Künstler „und in vielen Schichten collagiert. …Die Ausstellung a long strange trip variiert in den Räumen des Packhofes eine innere und äußere Reise ohne Ankunft. … In einem Raum der Ausstellung werde ich mein Atelier inszenieren…. Generell ist ein Atelier nicht nur der Produktionsort für Kunst, für die Künstler ist es auch der Ort an dem Musik gehört und gelesen wird und an dem Leute empfangen werden. Ich möchte deshalb diesen Ateliernachbau auch als Bühne für Veranstaltungen, die in Zusammenhang mit den Bildern der Ausstellung zu sehen sind, nutzen.“(3)
Doch was in den hoffentlich zahlreichen Veranstaltungen zu erwarten ist, deutet sich bereits bei unserer Installation an und wird so in der Ausstellung gleichsam vorweggenommen. Es ist das sich verzahnen bzw. dialogisch aufeinander reagieren von optischen wie akustischen und haptischen Formulierungen, die durch die Farbe, vor allem aber durch Rhythmen auf der jeweiligen Wand bzw. Bodenfläche in einem gestalterischen Sinnzusammenhang stehen. Einbezogen in diese Collagen ist eine klangintensive Malerei, die zum Teil mit schwarzen Schellackplatten, Covers oder Fotos bzw. Computerausdrucken collagiert wurde. Hinzu kommen über mehrere Wände reichende Bilder von opulenten glänzenden Haarsträhnen, die die Stärke von organoiden Rohren zu haben scheinen. stakkatohaft in verschiedenen Teilbereichen der Installationen sind unsere Glasbilder zum Thema „Pandora“ zu finden, die durch die Leuchtkraft des Lichts die jeweilige Einzelwand erneut strukturieren.

Eine komplexe Fülle von Assoziationen stellt sich beim Betrachten dieser eigenwilligen Installationen ein, aus der hierarchische Ordnungen des Abgebildeten ebenso ausgeschlossen wurden wie inhaltliche Festlegungen. Und gerade dadurch wird das ausgeprägte Formbewusstsein von Killisch noch deutlicher erkennbar. So ist dieses polyphone Geflecht formaler, ikonografischer aber auch historischer Querverweise nur einer von vielen Bestandteilen dieser großartigen visuellen Kommunikation, die eine geheimnisvolle und Fragen geradezu provozierende Verbindung zur Welt des 21. Jahrhunderts herstellt.

1 Heinrich Klotz: Die Neuen Wilden in Berlin, Stuttgart 1984, S. 9
2 Charles Jencks. Zit. Nach Stephan Schmidt- Wulffen: Spielregeln, Tendenzen der Gegenwartskunst, Köln 1987, S. 28
3 Klaus Killisch in einem Brief an die Autorin vom 14. Oktober 2008

Vita

1959 geboren in Sachsen
1981- 1986 Studium der Malerei an der Kunsthochschule Berlin
lebt und arbeitet in Berlin

EINZELAUSSTELLUNGEN

2011 Heringsdorf, Kunstpavillon, "Hommage à Ciurlionis"
2009 Berlin, Galerie Pohl, "REVUE"
2009 Frankfurt/O, Museum Junge Kunst, "A LONG STRANGE TRIP"
2007 Berlin, Guardini Galerie, PANDORA MOTEL (mit M.Eriksson)
2007 Leipzig, Galerie Dogenhaus
2007 Berlin, Ostdeutscher Sparkassenverband
2007 Berlin, Galerie Pankow, "DONT LOOK BACK"
2005 Berlin, raum5, "HAIR"
2000 Malmö, Galerie PingPong, "Perfect World"
2000 Leipzig, Dogenhaus Galerie,"MONEYTRAIN"
1999 Tokyo, Plaza Gallery
1995 Leipzig, Dogenhaus Galerie, "Schatten der Leidenschaft"
1995 Jyväskylä, Finnische Bank, Winter Festival
1993 Leipzig, Galerie EIGEN+ART
1993 Frankfurt/M, Dresdner Bank, (mit Sabine Herrmann)
1993 Berlin, Dogenhaus Galerie "Verlorenes Paradies"
1991 Leipzig, Galerie im Kraftwerk, "Das Gewitter", (mit Neo Rauch)
1989 Leipzig, Galerie EIGEN+ART

AUSGEWÄHLTE GRUPPENAUSSTELLUNGEN

2011 Berlin, Künstlerhaus Bethanien, "Halleluhwah! Hommage à CAN"
2011 Augsburg, Galerie Noah, "Perspektiven 2011"
2011 Tokyo, Tokyo Art Museum, "Passion"
2010 New York, German House, "Enticing Ephemera from the literary & art scene in East Berlin"
2010 Syke, Vorwerk, "Von Narrenschiffern und anderen Utopisten"
2010 Jena, Stadtmuseum, "POESIE DES UNTERGRUNDS"
2009 Berlin, Stadtmuseum, Ephraim Palais, "FALLMAUERFALL"
2008 Frankfurt/O, Museum Junge Kunst, "Standpunkte II"
2006 Frankfurt/O, Museum Junge Kunst, "Männerbilder"
2004 San Antonio/USA, SAPL Foundation, "Art in Berlin"
2003 Berlin, Neue Nationalgalerie, "Kunst in der DDR"
2003 Augsburg, Galerie Noah "accrochage"
2002 Washington, Goethe Institut
2002 Leipzig, Museum der bildenden Künste Leipzig, "Wahnzimmer"
2002 Essen, Folkwang Museum, "Klopfzeichen, Kunst und Kultur der 80er Jahre in Deutschland"
2001 Philadelphia, Berman Museum
2001 New York, German House Gallery
2000 Tokyo, Plaza Gallery, "Shadows of Desire"
2000 Budapest, Kunsthalle, "Sammlung der Berlinischen Galerie"
2000 Berlin, Kulturbrauerei, "Shadows of Desire"
1999 Larissa/Griechenland, Museum für Moderne Kunst, "Allegorie der Materie"
1999 Berlin, Galerie Olaf Stüber, "Kuratoren zu Gast"
1999 Berlin,Adenauerstiftung, "89 X89"
1998 Bonn, Kunst-und Ausstellungshalle der BRD,"100 Jahre Kunst im Aufbruch"
1998 Berlin, Großer Wasserspeicher, "Sphinx im Magnetberg"
1998 Athens, Ohio University, "Contemporary German Book Art"
1997 Strasbourg, La Laiterie, "Regards sur le Prenzlauer Berg"
1997 Frankfurt/M, Galerie Rothe, "SCENEausschnitte Berlin"
1996 Bonn, Kunstmuseum, "Deutscher Kunstpreis" der Volks-& Raiffeisenbanken
1995 Leipzig, Galerie Dogenhaus, "Von Killisch bis Kirchner"
1995 Frankfurt/M, Schirn Kunsthalle, Auf Papier-Kunst des 20.Jahrhunderts aus der Deutschen Bank"
1993 Singapore, Museum of Art, "Berlin Art Scene"
1993 Hong Kong Museum of Art, "Berlin Art Scene"
1993 Augsburg, Toskanische Säulenhalle,"Mythos Tier"
1992 Sunderland, Northern Centre for Contemporary Art, "Turning Points"
1992 Hiroshima, City Museum of Contemporary Art, "Berlin Art Scene"
1991 Tokyo, Sezon Museum of Art, "Berlin Art Scene"
1991 Graz, Landesmuseum Joanneum, "Trigon 8x2 aus 7"
1991 Dublin, The Hugh Lane Municipal Gallery, "Berlin!"
1990 Venedig, Biennale, "Ambiente Berlin"
1990 Paris, La Grande Halle de la Villette, "L´autre Allemagne hors les murs"
1989 Havanna/Berlin, Nationalmuseum und Nationalgalerie, "Junge Künstler der DDR und Cubas"
1989 Berlin/W, Künstlerhaus Bethanien, "Zwischenspiele"