30.06.2022 | TAZ, Susanne Messmer: Gentrifizierung in Berlin: Flacher wohnen, enger arbeiten

Maximilian Klinge macht seit Jahrzehnten Kunst in Kreuzberg. (...) Doch wegen der Erweiterung des Museums mussten laut Klinge bereits einige Künst­le­r:in­nen ausziehen. Klinge ist der erste, der sich gegen die Kündigung wehrt. Er hat die Unterstützung des Atelierbeauftragten im Kulturwerk des Berufsverbands Bildender Künst­le­r*in­nen Berlin (bbk berlin), Martin Schwegmann, der immer wieder auf die prekärer werdende Lage der Berliner Künst­le­r*in­nen und den wachsenden Verdrängungsdruck hinweist, dem diese ausgesetzt sind.

Ende Mai hat sich Klinge an Katrin Schmidberger gewandt, Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen im Abgeordnetenhaus. „Wir entmieteten Künstler sind ohne bezahlbare Arbeitsräume in unserer Existenz fundamental bedroht“, heißt es in der von vier Künst­le­r:in­nen unterzeichneten E-Mail, darunter Klinge. Auch Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) und den Senator für Finanzen Daniel Wesener (Grüne) hat Klinge gebeten, die Atelierräume und Werkstätten in den Mühlenhaupthöfen zu erhalten. (...)

Laut aktuellem Weißbuch Atelierförderung, das der bbk letztes Jahr herausgebracht hat, verdienen bildende Künst­le­r*in­nen im Schnitt 1.163 Euro im Monat. 2020 ist das Einkommen von 85 Prozent der Befragten im Vergleich zu 2007 sogar noch gesunken.

Sie können sich die Gewerbemieten in Berlin schon lang nicht mehr leisten. Darum wiegt es um so schwerer, dass die Berliner Kulturverwaltung bis Ende 2021 lediglich 282 neue Ate­liers geschaffen hat. Das sind gerade mal 14 Prozent der 2.000 neuen Ateliers, die nötig gewesen wären, um nur einem Drittel der 8.500 in Berlin arbeitenden bildenden Künst­le­r*in­nen gesicherte Arbeitsräume anbieten zu können, so das Weißbuch.

Die Geschichte von Maximilian Klinge ist nicht nur die eines Künstlers, dem es wie vielen anderen geht. „Jeder Raum zählt“, so der Atelierbeauftragte des bbk, Martin Schwegmann.