23.09.2024 | TSP Bezirke: Ateliers müssen Verwaltungsbüros weichen
20.09.2024 | Tagesspiegel Bezirke - Charlottenburg-Wilmersdorf, Cay Dobberke:
"Schon zum Ende dieses Jahres sollen mehr als zwei Dutzend Künstlerinnen und Künstler das Atelierhaus Sigmaringer1Art an der Sigmaringer Straße / Ecke Brandenburgische Straße in Wilmersdorf räumen – ein Jahr früher als bisher bekannt. „Einige landen damit auf der Straße“, befürchtet der Atelierbeauftragte im Kulturwerk des Berufsverbands Bildender Künstler*innen Berlin (bbk), Lennart Siebert. Die Mieterschaft sei „hintergangen worden“, sagte er dem Tagesspiegel nach einem gestrigen Gespräch mit der Charlottenburg-Wilmersdorfer Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD).
Laut Siebert hat die SPD-Politikerin immerhin „versucht, sich kooperativ zu geben“ und angekündigt, zu prüfen, ob einzelne Betroffene ihre Ateliers in einer „Übergangszeit“ etwas länger nutzen können. Siebert denkt aber auch über den aktuellen Fall hinaus und befürchtet, das dieser eine „Blaupause“ für andere Berliner Bezirke zur „Verdrängung von Künstler:innen für Verwaltungsbüros“ werden könnte.
Künftig will das Ordnungsamt das Haus nutzen. Den Hintergrund hatte die Bezirksverwaltung bereits vor einiger Zeit erklärt: Wegen hoher Mietkosten müsse man in etwa zwei bis drei Jahren ein großes Dienstgebäude am Goslarer Ufer aufgeben. Neue Anmietungen habe die Senatsfinanzverwaltung verboten. Also bestehe die einzige Lösung in der Nutzung eigener Immobilien.
Die BVV hat das Bezirksamt aufgefordert, sich bei der Senatskulturverwaltung für neue Atelierräume an anderen Orten einzusetzen. Dieser Antrag der CDU und Grünen wurde bereits im Mai dieses Jahres beschlossen. Stadträtin Schmitt-Schmelz strebt einen Ausbau des Dachgeschosses im bezirkseigenen Atelierhaus am Nonnendamm an. Nach Sieberts Kenntnis können dort aber nur 600 Quadratmeter Fläche als Teilersatz für 1400 Quadratmeter an der Sigmaringer Straße hinzukommen. Außerdem existiere kein Aufzug im Gebäude am Nonnendamm, das aus den 1960-er Jahren stammt.
Aber auch in Wilmersdorf wurde der Aufzug im vorigen Jahr wegen Sanierungsarbeiten außer Betrieb genommen und der Eingang an der Sigmaringer Straße gesperrt. Der Zugang ist nur noch über eine Treppe an der Brandenburgischen Straße möglich.
Der Atelierbeauftragte Siebert versteht nicht mehr, „was die Strategie des Senats ist“. Die Kulturverwaltung gebe „keine Lösungsansätze“, obwohl sie seit dem vergangenen März von den Kündigungen wisse. 2006 hatte sie mit dem Bezirk eine Nutzungsvereinbarung bis Ende 2025 für das vorherige Gesundheitsamtsgebäude an der Sigmaringer Straße vereinbart. Mit der Hausverwaltung wurde später die gemeinnützige GSE Gesellschaft für Stadtentwicklung beauftragt.
Ein Beirat habe alle zwei Jahre kontrolliert, ob das Einkommen der freiberuflichen Künstler:innen noch dem Förderzweck entspreche oder zu hoch liege, sagt Siebert. Alle vier Jahre sei auch die „Professionalität“ der künstlerischen Arbeit überprüft worden. In der Folge hätten die Nutzerinnen und Nutzer geglaubt, ihre Ateliers mindestens bis Ende 2025 behalten zu können. Stattdessen müssten sie nun mit Räumungsklagen rechnen, wenn sie den Auszug zum kommenden Jahreswechsel verweigern.
Als Schikane prangert Siebert nachträgliche Mietforderungen gegen mehrere Künstlerinnen und Künstler an. Es gehe um Zeiträume bis zu 13 Jahren. Die Miete sei aber stets gezahlt worden – nur nicht direkt an den Bezirk, sondern an die GSE.
Heike Schmitt-Schmelz hatte heute noch keine Zeit, Fragen des Tagesspiegels zu ihrem Gespräch mit dem Atelierbeauftragten zu beantworten. Wie sie die Entwicklung einschätzt, wollen wir deshalb in der nächsten Ausgabe dieses Newsletters berichten.