17.06.2025 | rbb-Kultur-Magazin: Wie geht es dem Kunststandort Berlin? Videobeitrag

14.06.2025 | rbb-Kultur, Das Magazin | Autorin: Vera Drude:
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Mit: Neda Saeedi und Anja Schrey, Künstlerinnen | Julia Brodauf, Atelierbeauftragte für Berlin | Annette Maechtel, Geschäftsführung nGbK
Die Zukunft dieser geförderten Ateliers in Neukölln ist ungewiss. Hier arbeitet Neda Saeedi, sie kommt aus dem Iran und lebt seit 13 Jahren in Berlin. Die Künstlerin hat gerade mehrere Ausstellungen und viele Stipendien gewonnen aber ein Atelier auf dem freien Markt wäre für sie finanziell nicht drin.
Neda Saeedi, Künstlerin
"Ich liebe Berlin und habe als Künstlerin alles, was ich brauche: meine Community, meine Freunde, meine Kollegen, auf die ich mich verlassen kann. Der Gedanke, dass ich vielleicht weggehen muss und das alles neu aufbauen muss – das bricht mir das Herz."
Ihr Atelier ist Lager und Produktionsstätte, der Ort wo sie ihre Kunst nicht nur entwirft sondern auch selbst baut. "Sinking Suns" ist eine Lichtinstallation von Neda Saeedi . Eine meditative Arbeit, in Zeiten von Krieg und politischen Unruhen.
Neda Saeedi, Künstlerin
"Mein Studio gibt mir Momente der Ruhe, ganz friedliche Stunden. Das überträgt sich auf meine Kunst: vielleicht wird die Person, die sich meine Installation ansieht auch dieses Gefühl haben – ein Moment des Friedens und der Ruhe während sie sich etwas Schönes ansieht."
Die Kunstszene in Berlin startet in den 90er Jahren durch: unbekannte Künstler zeigen ihre Werke in leer stehenden Fabriken. Auf die Messen strömt ein internationales Publikum. Das Besonders an Berlin: hier arbeiten zwar große Künstler – die neuen Impulse kommen aber aus der freien Szene. Und deren Orte gehen nun verloren.
Julia Brodauf, Atelierbeauftragte der Stadt Berlin
"Alte Fabriken, unausgebaute Räume, günstige Räume, große Räume hat es gegeben. Es gab eine ganz berühmte Off-Raum-Szene zum Beispiel, die ist kaum noch vorhanden."
Annette Maechtel, neue Gesellschaft für bildende Kunst
"Die Künstler*innen und diese Lebendigkeit, die damit einhergeht und die die Basis für dieses ganze Kunstfeld auch darstellt, macht Berlin aus. Und es ist eigentlich ein kompletter Imageverlust, der da auf Berlin zukommt. Das ist das einzige Kapital, das Berlin hat."
Diese beiden setzen sich seit Jahren für die Kunstszene Berlins ein. Julia Brodauf ist selbst Künstlerin und organisiert als Atelierbeauftrage die Vergabe der subventionierten Arbeitsräume. Zusammen mit der Kuratorin Annette Maechtel diskutiert sie heute in der Stiftung Haubrok in Lichtenberg über den Kunststandort Berlin. Fazit: es braucht ein stadtplanerisches Gesamtkonzept und ohne Förderung werden Künstler durch die hohen Mietpreise aus der Stadt vertrieben:
Annette Maechtel, neue Gesellschaft für bildende Kunst
"Es sind etwa 15.000 Künstlerinnen in Berlin ansässig, weil die Ressource Raum hier günstig zu haben war. Das kann sich genauso schnell auch wieder ändern, wie man das zum Beispiel auch an Metropolen wie New York sehen kann."
Julia Brodauf, Atelierbeauftragte der Stadt Berlin
"Das ist einfach das hochaktuelle Kulturgeschehen, was hier stattfindet und das, worüber wir später sprechen werden, was die Kunst der 2020er Jahre gewesen sein wird, das ist das, was hier nur entstehen kann, wenn es hier Räume gibt."
Die Gegenwartskunst - sie entsteht hier, in den über 1.000 subventionierten Ateliers der Stadt. Ein Drittel davon ist jetzt in Gefahr: Diese Künstler im Haus Hobrechtstraße 31. müssen bald ausziehen.
Ähnlich geht es der Malerin Anja Schrey. Seit über zehn Jahren arbeitet sie in diesem Raum in der Karl-Marx-Straße 58. Der Mietvertrag für das Atelierhaus läuft aus. Wie es dann weiter geht ist unklar.
Anja Schrey, Künstlerin
"Wir wissen ja alle noch nicht genau, was das jetzt in letzter Konsequenz wirklich bedeutet. Aber das macht uns allen große Angst, lässt mich schlecht träumen."
Normalerweise zeigt sie ihre großen fotorealistischen Gemälde und Zeichnungen nur im Museum. Ende Juni, beim Kunstfestival "48 Stunden Neukölln" will sie Besucher in ihren privaten Raum einladen. Damit alle sehen, was hier verloren gehen kann.
Anja Schrey, Künstlerin
"Ich glaube, dass das für die Leute interessant ist, ins Atelier zu kommen und diese Arbeitssituation auch mal zu sehen. Sie sehen die Spuren meiner Arbeit, sie können an den Arbeiten vorbeigehen. Das zeigt man ja normalerweise nicht in einer Ausstellung und das kann man im Atelier eben dann nachvollziehen."
Neda Saeedi hat gerade eine Ausstellung in der Franziskaner-Klosterkirche in Berlin eröffnet. Die Ruine ist eine Freiluft-Galerie des Bezirks Mitte. Die Soundinstallation hat sie speziell für diesen Ort entwickelt. Eines der ältesten Bauwerke Berlins trifft so auf Gegenwartskunst.
Ausstellungen wie diese könnte es in Zukunft weniger geben, denn auch in den städtischen Galerien werden die Mittel gekürzt.
Neda Saeedi, Künstlerin
"Wenn etwas einfach da ist, dann wird es für dich alltäglich. Du denkst nicht mehr, dass es etwas Besonders ist. Aber wenn wir diese Kunstszene verlieren, dann wird sie wirklich verloren sein für die Stadt und es wird sehr schwer werden und Jahrzehnte dauern, dies wieder aufzubauen und die Menschen zurückzuholen."
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"Wo bleiben die Künstler:innen?"
"Consider Listening"
Fahrbereitschaft, 08.06.25