Anna Gawronski

Paul

2018

Sonnenstrahlen fallen auf das bronzefarben leuchtende Laub auf dem Boden. Ein paar Schritte lang beobachte ich, wie meine Schuhe die Blätter zum Tanzen bringen, bis mein Blick zu dem leerstehenden Schulgebäude wandert und an den Ausgrabungen nahe der Fassade entlangschweift.
Die Grundinstandsetzung hat bereits begonnen; ein Wirrwarr aufgeschütteter Erdhügel, abgesperrt mit Bauzäunen, eingekesselt zwischen OSB-Platten und schnell gezimmerten Lattenkonstruktionen.
Das Kolloquium beginnt. Bei der Begehung des Geländes steht helles Goldgelb der OSB-Platten und warmes Kupfer der Baumblätter im Kontrast zum blau strahlendem Himmel. Im Keller des Schulgebäudes riecht es nach feuchter Erde.
Während der Fragerunde kommt das Material Bronze ins Gespräch und wird fortan als Prototyp für schwere Materialien benutzt, um Fragen zur Statik zu klären.
Bronze, ich denke über dieses Pseudonym nach. Das Jahr 2020, Berlin, Bronze? Passt das zusammen? Kann ich mir auf Anhieb nicht vorstellen.
Niemand hat die Absicht eine Bronzestatue in Berlin zu errichten. Ich jedenfalls nicht, hatte ich doch vor, modernes Material auszuprobieren, dachte an ausdrucksstarke synthetische Farben; eine Lichtinstallation wäre interessant; Robotic Art klingt als Begriff schon vielversprechend.
Dann blitzt mir das Bild der Erdhügel vor dem Gebäude auf. Amüsant, dass Erde exakt die Farben von Bronze-statuen hat. Und Bronze wird von unter der Erde hervorgeholt, ist damit auch irgendwie Erde, fast schon lyrisch. Für ein Erdhügelobjekt wäre Bronze tatsächlich das ideale Material.
Ein Kind würde sicherlich schnell eine Antwort auf die Herkunft solch einer Szenerie aus Erdhügelstatuen finden - ein Maulwurf hat diese Hügel angehäuft, ist dort zu Hause. Diese Idee lässt mich nicht mehr los.
So soll es also sein.
Überall auf dem Schulgelände möchte ich naturgetreue Maulwurfshügel aus Bronze arrangieren; anstatt echter Maulwurfshügel im Grünen sollen Bronzeabbilder ausschließlich auf gepflastertem Boden entstehen.
Ein Spiel mit der Illusion. Wie in der Realität lebt der Bronze-Maulwurf gut versteckt und muss zunächst gesucht werden. Fündig wird man im Souterrain des bestehenden Schulgebäudes, dort fühlt er sich sicherlich wohl bei den kreativen Köpfen in der Schülerwerkstatt
Im Übrigen heißt der Maulwurf „Paul“, den Namen hat er von Herrn Paul Junius, Mitglied des Naturfreunde Vereins, bekommen.
Als Maulwurf Paul noch zur benachbarten Kita „Paule“ ging, wurde er eben so noch verniedlicht; jetzt wo er schon groß ist, darf man ihn Paul nennen. Paul würde sehr gerne zu der neu geplanten Schule gehen, aber in Berlin ist das gar nicht so leicht. Gut, dass die Stadt diese Schule baut.

Paul | 15 Objekte aus Bronze | geschlossener Wettbewerb Kunst am Bau | Schulgebäude und Sporthalle Paul-Junius-Straße 69 | Berlin | 2018