Jeroen Jacobs

Hocker

Hocker, Beton, 2019

Hocker@ Radikale Passivität: Politiken des Fleisches, NGBK, Berlin 2020

Hocker@Opening, national museum Berlin 2020

Jeroen Jacobs schafft fleischliche Skulpturen aus rohem Beton – dem ikonischen Material in der Architektur der Moderne. Mit Stahlskelett versehen gewährleistet es auch in filigran geschwungener Form brückenbogenstarke Stabilität. Dieser stählerne Beton ist auch deshalb bautechnisch so geeignet, weil sich seine Form präzise durch äußere Gussformen bestimmen lässt, denen sich das flüssige Material anschmiegt, bevor es aushärtet. Bei Jacobs wird all das umgestürzt. Er lässt den Beton zerfließen und hantiert mit dem haltlosen Material ohne stabile Form. Die Eigendynamik des Stoffes aufnehmend, gestaltet er seine Plastiken improvisierend, relational, mehr passiv als aktiv, indem er der labilen Schwerkraft mit Händen, Folien und Sand entgegen wirkt. Entstanden ist daraus eine serielle Variation von aufgefangenem Formverlust. Die Gebilde zeigen das Unwillkürliche und Unkontrollierbare des Werkstoffs, dessen ‚agency’ wenig potent im matschigen Absacken und Entgleiten besteht.
Die Bedeutung abstrakter Skulptur gilt als wesentlich durch die Sprache des eingesetzten Materials bestimmt. Für Beton reicht die Materialikonographie von einer sozialistischen Lesart, die in der Bindung der Sandkörner und Steinchen eine neue kollektive Gesellschaftsform erblicken will, über die modernismuskritische Interpretationen, die in der Schlichtheit und Glätte das Unverbindliche moderner Lebensformen wiederfindet, bis hin zur durchgängigen Semantik der Unvergänglichkeit, die den frühen Einsatz von Beton in der Friedhofskunst ebenso wie in der Land art bestimmt. Gerade diese dominante Bedeutung von Härte und Beständigkeit wird von Jacobs unterminiert. Das körperliche Gefühl, das seine Plastiken vermitteln ist Schwäche, Einsinken, Niedergehen, oder präziser: ein Schwanken zwischen Härte und Schwäche, Form und Formverlust. Eine ausgehärtete Weichheit, destabilisierte Solidität, ein erstarrtes Versinken als würde – umwillen der Materialgerechtigkeit – die abjekte oder ästhetisch-unbewusste Kehrseite: die Hinfälligkeit gezeigt. Hinzu kommt die Kleinheit und Niedrigkeit seiner Béton-brut-Skulpturen, die auch die Betrachter*innen sich niederbeugen oder in die Knie gehen lässt. Sie scheinen sich den Hinsinkenden geradezu anzuerbieten und tatsächlich ist es erlaubt, sich auf die Betonfleischhocker von Jacobs in der Ausstellung zu setzen.