Thomas Henninger

Die Fröhliche Wissenschaft

2015

Eine Maschine beschreibt mit Tafelkreide eine Schultafel mit historischen Versatzstücken aus wissenschaftlichen Skizzen, Aufzeichnungen und Tafelbildern. Ein Schwamm löscht Teile des Bildes wieder aus – Erinnern und Vergessen als dialektisches Prinzip.
Wie viele Bilder kann das menschliche Auge pro Sekunde wahrnehmen? Es sind etwa 60 bis 65. Doch nur ein Bruchteil davon wird über-haupt im Gehirn abgespeichert. Die menschliche Wahrnehmung ist begrenzt, die Fähigkeit, Wissen abzuspeichern, noch viel mehr. Und vergessen ist notwendig, wenn wir verstehen wollen.
Das alles sehen wir auch in der Arbeit „Die Fröhliche Wissenschaft“. Auf einer begrenzten Fläche erscheint das Wissen der Welt für einen begrenzten Zeitraum und verschwindet wieder. Alles ist im Fluss. Wir sehen in einem Moment: Ein Ikosaeder, den Grundriss der Kathedrale von Chartres und die Skizze einer Microarray-Vorrichtung, das kleine Quadrat und die Schraubenlinie von Dürer.
Das sind Ausschnitte enzyklopädischen Wissens. In
Kreidebildern erscheinen auf der Wand füllenden Tafel Tausende Diagramme, Patentzeichnungen, historische Tafelbilder und
Skizzen. Es ist ein Überblick über das Wissen der vergangenen Jahr-hunderte, das unsere Kultur geprägt hat.
Wissen erneuert sich. Ein Wissensstand wird durch neue Erkenntnisse berichtigt oder sogar revidiert. Eine These gilt so lange, bis sie widerlegt ist. Wissen geht verloren. Weil wir schlichtweg vergessen oder weil wir alte Gewissheiten wegen neuer Erkenntnisse als absurd oder ketzerisch verwerfen. Schwamm drüber! In diesem Sinne wischt in der Installation ein Schwamm Teile des Geschriebenen weg. Es verändert sich damit das Aussehen und der Inhalt des sichtbaren Wissens. Raum für Neues entsteht.
Die Welt ist Konstruktion. Schreiben und Löschen ist ein dialektisches Prinzip. So wie aus der Gegenüberstellung von These und Antithese eine neue Lösung oder ein neues Verständnis in Form der Synthese entsteht. So entwickelt sich auch das Tafelbild zu einer Synergie von Kunst und Wissenschaft. Das Fortschreiben der wissenschaftlichen Ergebnisse auf der Tafel macht die ästhetische Bildwerdung erst möglich.
„Frei — sei unsre Kunst geheißen,
Fröhlich — unsre Wissenschaft!“ (Nietzsche)


Auftraggeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung
Urheber: Thomas Henninger, Axel Ankam
Realisierung: 2015
Maße: 10 x 2,70 m

Die Fröhliche Wissenschaft, Bundesministerium für Bildung und Forschung Berlin

Die Fröhliche Wissenschaft, Bundesministerium für Bildung und Forschung Berlin

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